Die Geschichte von Ruth Lemberger, einer Zeitzeugin, die im zweiten Weltkrieg nach Israel floh und nun ihre alte Heimat besucht.
Dokumentation der Klasse 4a (Dunant-Grundschule Berlin, Steglitz-Zehlendorf) aus dem Schuljahr 2007/08
Zur Person
Ruth Lemberger besuchte als Kind unsere Grundschule, die damals allerdings einen anderen Namen hatte. Mit ihrem Vater, der Bildhauer war, und ihrer Mutter wohnte sie bis 1934 in Steglitz.
Ruth Lemberger war so alt wie wir, als Hitler die Macht in Deutschland übernahm und sich plötzlich vieles in ihrem Leben änderte. Sie erzählte uns von ihren Erlebnissen während der Schulzeit und ihrer besten Freundin Herma.
Sie berichtete uns von netten Lehrerinnen, die sie hatte, aber auch von einer, die Juden nicht mochte und sehr unfreundlich zu ihr war. Dass ihre beste Freundin 1933 den Kontakt zu ihr abbrach, war sehr schwer für Frau Lemberger zu verstehen.
Ihre Eltern entschieden Deutschland mit ihrer Tochter zu verlassen, als sie erkannten, dass es immer gefährlicher für sie wurde.
Ruths Kindheit
Ruth Lemberger hat die ersten Jahre ihrer Kindheit mit ihren Eltern in der Kreuznacher Straße verbracht. Sie konnte zu Fuß zur Schule laufen.
In ihrer Straße lebten auch viele Künstler, die im Jahr 1933 Deutschland verließen. Einige konnten ins Exil entkommen, einige überlebten nicht.
Aus unserer Klasse wohnen heute einige Schüler ebenfalls in der Kreuznacher Straße.
Mit eigenen Augen hatte Ruth Lemberger die Anfänge der Verfolgung von Juden in Berlin miterlebt. Sie erzählte uns, wie sie als Kind mit ihrem Roller auf der Schloßstraße in Steglitz hinter Hitleranhängern herfuhr. Dabei sah sie, wie die Scheiben jüdischer Geschäfte zerstört oder beschmiert wurden.
Da sie noch sehr jung war, konnte sie noch nicht das Ausmaß dessen verstehen, was dort geschah.
1933 hatte in Deutschland Hitler die Macht übernommen.
Er hasste die Juden. Im November 1938 war Reichskristallnacht. In dieser Nacht ließ Hitler alle Geschäfte der Juden zerstören. Dann wurden die jüdischen Gotteshäuser angezündet. Viele Juden verstanden, dass sie sich und ihre Familien in Sicherheit bringen mussten. Doch genauso viele dachten anders und blieben in Deutschland. Für sie wurde das Leben hier zur Katastrophe, denn Hitler ließ während des Zweiten Weltkrieges Millionen Juden in Konzentrationslagern vernichten.
Die Novemberpogrome 1938 (bezogen auf die Nacht vom 9. auf den 10. November auch Reichspogromnacht oder Reichskristallnacht genannt) waren eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Leben, Eigentum und Einrichtungen der Juden im gesamten Deutschen Reich.
Klassenfotos
Als Frau Lemberger zur Schule ging, gab es getrennte Mädchen- und Jungenklassen.
Sie besuchte die Schule in Berlin-Steglitz, die heute unsere Grundschule ist. In ihrer Klasse waren 25 Schülerinnen. Ihre Lehrerin hieß Frau Schallopp.
Familienfotos
Die Familie von Ruth Lembergers Mutter lebte in Lodz, Polen. Als die Verfolgung der Juden zunahm, wurde Ruth Lembergers Familie mütterlicherseits dort erst in ein Ghetto gesperrt und später umgebracht.
Israel und wir
Ruths neue Heimat
Im Exil fand Frau Lemberger eine neue Heimat, als sie mit ihren Eltern nach ihrer Reise über Italien in Israel (es hieß damals Palästina) ankam. Hier war alles anders. Sie kannten niemanden. Ihre Eltern mussten eine Arbeit finden, eine Wohnung und eine neue Sprache lernen.
Ins Exil gehen bedeutet, dass Menschen, die in ihrem Land verfolgt werden, auswandern müssen.
6 000 000 Juden sind umgebracht worden und 300 000 Juden sind ausgewandert.
Israel
Die Gestaltung der israelischen Flagge geht zurück auf den jüdischen Gebetsschal Tallit; Blau und Weiß sind die Farben jüdischer Ritualkleidung.
Eine neue Sprache
Ruth Lemberger lernte in Israel Hebräisch.
Hebräisch ist eine sehr alte Sprache. Das Alte Testament der Bibel wurde in Hebräisch geschrieben.
Das Alphabet sieht ganz anders aus als das deutsche. Die hebräische Schrift wird von rechts nach links geschrieben und gelesen. Eine Unterscheidung von Groß- und Kleinschreibung existiert nicht.
Erster Besuch
Ruth Lemberger wollte während ihrer Reise nach Deutschland die Gegend wiedersehen, in der sie als Kind gelebt hatte.
Bei ihrem ersten Besuch als Erwachsene in der Dunant-Grundschule im Oktober 2006 kam Ruth Lemberger durchs Fenster.
Sie hatte von draußen Kinder und Eltern im Töpferraum gesehen und war ganz interessiert, weil sie ihre alte Schule gefunden hatte. Da die Fenster fast bis zum Boden gehen, klopfte sie an und kletterte dann durch das Fenster zu uns herein. Frau Lemberger hat uns dort ihre Geschichte erzählt.
Besuch in der 4a
Ruth Lemberger besuchte uns im Juni 2008 erneut in Deutschland und brachte diesmal einen ihrer Söhne und zwei Enkel mit. An einem Tag kamen sie alle in unsere Klasse. Wir konnten ganz viele Fragen stellen und sie erzählte uns von ihrer Kindheit in Steglitz.
Eindrücke aus dem Jüdischen Museum
Angeregt durch die Begegnung mit Frau Lemberger besuchten wir das Jüdische Museum und sammelten viele Eindrücke.
Artikel im Tagesspiegel
„Reise in Vergangenheit: Der Gast, der durchs Fenster kam“ – Von Christoph Stollowsky, 14.04.2009
Impressum
Klasse 4a der Dunant-Grundschule, Gritznerstr. 19-23, 12163 Berlin
Klassenlehrerin: Monika Fink
Redaktion: Anastasija, Marie-Luisa, Vanessa, Mathilda, Valentina, Larissa, Amila.
Zeichnungen: Larissa, Felix (10 Jahre), Tim (10 Jahre), Marie-Luisa (9 Jahre), Mathilda (10 Jahre), Melisa (10 Jahre), Valentina (9 Jahre).
Fotos: Vera Schlecht, Ruth Lemberger
Layout der Druckpublikation: Dörthe Brandt, KunstBauWerkstatt der Dunant-Grundschule
Schüler der 4a: Ali A., Ali F., Amila, Anastasija, Ankatrin, Annie, Antonio, Dominik, Fabian, Felix, Janis, Jinny, Juan, Larissa, Lina, Marie-Luisa, Mathilda, Melisa, Tim, Valentina, Vanessa A., Vanessa P.